Nürnberg - Sehenswürdigkeit Tucherschloss
Besichtigung und Tipps für Touristen

Die Tucher spielten als eines der ältesten ratsfähigen Geschlechter Nürnbergs schon früh eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Stadt und nahmen als wohlhabende und einflussreiche Kaufleute besonders im 15. und 16. Jahrhundert oft mit größtem Erfolg am öffentlichen Leben Nürnbergs teil. Nachdem sie, wie auch andere Patrizier, bereits im 14. Jahrhundert mehrere Grundstücke außerhalb des ersten Mauerrings erworben hatten und dort - oft innerhalb ausgedehnter Gartenanlagen - leichte, wohl vorwiegend im Sommer bewirtschaftete Gebäude errichteten, baute Lorenz XI. (1490-1554), der jahrzehntelang die Tucher'sche Handelsgesellschaft leitete, in den Jahren 1533-1544 im Nordosten der Altstadt dieses größere und festere Wohnhaus.

Das Haus zeigt zur Straße nur eine Giebelwand mit drei Achsen und einem Erker. Durch die vorzügliche Steinsetzung erhält es einen gediegenen Charakter, noch verstärkt durch einen hohen Sockel, den nur ein einziges, recht hoch gesetztes Fenster durchbricht. Erst im Hof entfaltet sich eine reiche architektonische Gliederung. Den Hauptakzent bildet das turmartige Treppenhaus, dessen kreisförmiger Grundriss tief in das Haus einbindet, über der Traufe zwei Trabanten enthält und mit einer Gruppe von Zwiebelkuppeln abgedeckt ist.



Der Treppenturm steht exzentrisch - die Fassade ist überhaupt nicht regelmäßig organisiert. Zwei Portale sind getrennt durch eine Mittelsäule, von einem Korbbogen zusammengefasst, darüber steht ein Relief, dann wird die Vertikale durch eine Viertelsäule fortgesetzt: im Einzelnen also Renaissancemotive, aber diese nicht im Sinne der Renaissance angewendet. Tief in die Mauer eingesenkte Säulen mit Kapitellen, von Konsolen ausgehend, gliedern das Hauptgeschoss. Die zweigeteilten Fenster sind für das damalige Nürnberg außergewöhnlich groß. Im zweiten Stock wird ihr Oberteil von kräftig vorspringenden kantigen Profilen gerahmt, die von figürlichen Kragsteinen ausgehen. Die Gartenfassade zeigt den gotischen Treppengiebel, in die Sprache der Gotik übersetzt. Hängende, eingebundene Säulen wachsen durch die Giebelprofile hinauf und werden über dem Dach vollrund - das gleiche Prinzip, das am Treppenturm und bei allen anderen vertikalen Gliederungen angewendet wurde.

Die Giebellösung des Tucherschlosses fand in Nürnberg manche Nachfolger, beispielsweise am Topler- und Imhoffhaus. Der nicht durch Symmetrie gebundene Aufbau des ganzen Bauwerks in freiem Rhythmus, das Miteinander von Gotischen- und Renaissance-Zierformen bringt einen reizvollen Zusammenklang von Altem und Neuem. Der Architekt wurde vermutlich vom Bauherrn mit nach Lyon genommen und studierte dort die französische Frührenaissance. So erhielt das Tucherschlösschen die Eleganz der Bauten Franz I. von Frankreich. Im Erdgeschoss tritt man in eine zweischiffige, von einem gotischen Rippengewölbe überdeckte Halle, während die Wanddekoration im großen Saal des Obergeschosses ein Meisterwerk der Nürnberger Frührenaissance ist und wie die Außenarchitektur gotische und moderne Motive vereint.

Die Mitte der Ostwand speist ein großer Kamin ein, den die Wappen der Bauherrschaft, gehalten von Putten, verzieren; ein französischer Import, denn in Nürnberger Patrizierhäusern gab es bis dahin nur Öfen. Von der gleichen Hand stammt auch der Schmuck am Hofportal. Peter Flötner hat durch Inschrift die Täfelung des Obersaales als sein Werk ausgewiesen. Er war wohl für den ganzen Bau der maßgebende Architekt, wenn er auch sonst nur als Innenarchitekt und Entwerfer von Mobiliar bekannt ist. Peter Flötner hat der Nürnberger Renaissance klassische Harmonie gegeben und mit feinem Empfinden gotische- und Renaissanceformen miteinander verbunden. Für die Sitzbänke im großen Saal wurde eine Serie von Rücklaken im Enghien in Auftrag gegeben, die von Früchtebordüren umrahmte großblättrige Agaven und Distelgewächse zeigen, zwischen denen Vasen mit Lilien, Schwertlilien und anderen Blumen stehen und sich Hasen, Fasanen und anderes Getier bewegt.

In die Fenster des Festsaales wurden acht Glasmalereien eingesetzt, die in der Werkstatt von Augustin Hirsvogel angefertigt worden sind. Auch sie konnten vor Zerstörung bewahrt werden. Die Entwürfe stammen von unbekannter Hand. Es sind Darstellungen aus der antiken Mythologie - Taten des Herkules, Jupiter, Mars,der Venus und der Ceres -, und alle zeigen große, die ganze Fläche in Anspruch nehmende Aktfiguren, die sich dramatisch bewegen. Ihre Vorbilder sind wohl unter der oberitalienischen Graphik um 1500 zu finden. Nach Inhalt und Stil stehen die Scheiben in einem recht merkwürdigen Gegensatz zu dem Reliefschmuck des Hauses, der eine strenge protestantische Gesinnung vertritt. Die beiden Bilder des Erbauerpaares hat Hans Schäuffelein 1534 gemalt. Lorenz zeigt selbstbewusste Würde in seiner vornehmen Perlenhaube und dem breiten großen Hut, aber trotz seiner Aufenthalte in Lyon und Antwerpen behielt er sichtlich das Gebaren des bodenständigen Bürgers.



Noch weniger kann man sich seine Frau als Bewohnerin des modernen Tucherschlosses denken. Sie scheint ein etwas bekümmertes, wenig anziehendes, hausbackenes Wesen gehabt zu haben, obwohl sie durch Mitgift und Erbteil ihren Mann zum Reichsten seines Geschlechtes gemacht hat.
Nach Frankreich weist auch das prunkvolle Tafelgerät, das Linhart am Ende seines Lebens in Limoges anfertigen ließ. Es besteht aus einer hohen Kanne mit Schüssel, aus offenen und gedeckten Konfektschalen, insgesamt acht Geräte, hergestellt in Kupfer von Wenzel Jamnitzer, der nicht nur der erste Goldschmied in Nürnberg, sondern der beste in Deutschland war. Die silberne Fassung der Kanne und ihr figürlicher Henkel sind kleine plastische Meisterwerke. Linhart ließ das Gerät durch seinen Sohn Herdegen, der in der Lyoner Filiale saß, zum Emaillieren nach Limoges bringen. Am Ende eines langen Berichts über die Handelslage vom 6. Dezember 1561 kommt Herdegen auf diesen Auftrag zu sprechen, "was die Schalen und kupfernen Vasen angeht". Dem Fabrikanten Pierre de Cordes habe er in Limoges Anweisung hinterlassen, alles zum Besten und Saubersten machen zu lassen.

Die Emaillierung wurde ausgeführt von Pierre Reymond, Mitglied einer begabten Familie, in der die Kunst des Emaillierens vererbt wurde. Jedes Stück trägt das Tucherwappen, das Hauptwerk, die Kanne, das Signet Pierre Reymonds. Das Tafelgerät zeigt den dunklen Klang weißer Zeichnung auf schwarzem Grund, für die man zu jener Zeit eine Vorliebe hatte. Neben Gottesornamentik stehen mythologische Szenen mit vielen bewegten Aktfiguren, in dem manieristischen Stil gehalten, den die italienische Schule in Fontainebleau nach Frankreich brachte. Das Nebeneinander von antiken und alttestamentarischen Motiven erscheint wie eine unvereinbare Gegensätzlichkeit. Von Wenzel Jamnitzer hat dann Linhart auch noch zur Hochzeit seines Sohnes Herdegen einen silbervergoldeten Doppelpokal (zwei übereinandergestellte gleiche Gefäße) als die traditionelle Nürnberger Morgengabe arbeiten lassen. Der sonst der Moderne ergebene Goldschmied hat für die Pokale die überlieferte gotische gebuckelte Form mit durchbrochenen Kränzen gewählt. Der konservative Auftraggeber folgte der Nürnberger Vorliebe für Gotik, die bis weit ins 17. Jahrhundert lebendig blieb.

Die Tucher gehörten zur großen Zeit Nürnbergs. Seit dem Beginn des 14 Jahrhunderts haben sie am Regiment der Reichsstadt teilgenommen, waren sie Mitglieder des Kleinen Rates und bis zum Ende der Selbständigkeit "die fürsichtigen, erbaren und weisen Herren" Nürnbergs. Sie hatten verantwortungsvolle städtische Ehrenämter inne. Dreimal in aufeinander folgenden Generationen wurden sie an die Spitze der Oligarchie gestellt, wurde das politische Geschick des Gemeinwesens in ihre Hände gelegt, waren sie die Repräsentanten der königlichen Reichsstadt. Die Tucher haben Anteil an Gewinn und Bewahrung der Freiheit Nürnbergs und an seiner wirtschaftlichen und kulturellen Blüte. Das Geschlecht gehörte zu den vornehmsten und ältesten der Stadt, verfügte über beträchtlichen Haus- und Grundbesitz in ihren Mauern und wohnte in stattlichen, aus Sandsteinquadern gefügten großen Häusern. Vor den Toren und in der weiteren Umgebung besaßen sie Ländereien, Wiesen, Weiher und Bauerngüter, auch Grundherrschaften mit festen, von Mauern und Gräben umgebenen Schlössern. Ihren Reichtum gewannen sie wie alle Patrizier aus erfolgreichen Beteiligungen am internationalen Fernhandel, der in alle vier Himmelsrichtungen führte. In Venedig, Genf, Lyon und Antwerpen hatte ihre Handelsgesellschaft Niederlassungen. Über dreieinhalb Jahrhunderte haben die Tucher als Kaufleute zum Wohlstand Nürnbergs beigetragen und ihrer Vaterstadt zentrale Bedeutung gegeben.

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