Das einzige private Museum Frankfurts verbirgt sich hinter zwei Meter dicken Wänden: Im ehemaligen Glauburg-Bunker lädt Explora zum Staunen über visuelle Phänomene ein. Mit viel Herzblut hat der Fotodesigner Gerhard Stief hier im Nordend seine Sammlung unter dem Motto Museum + Wissenschaft + Technik eingerichtet.
Die Bilder an der Wand bewegen sich. Sie ändern ihr Motiv oder sie fangen an zu schrumpfen. Manche öffnen ein Loch im Gemäuer, andere ragen weit in den Raum hinein. Doch was an ein Spukschloss erinnert, basiert auf handfesten physikalischen Gesetzen. Ausgerüstet mit 3D-Brillen erleben die Besucher die Phänomene und erhalten, auch durch interaktive Stationen, einen Einblick in die komplizierten Zusammenhänge. „Hier soll niemand rausgehen mit dem Gefühl: Die sind schlau, und ich bin dumm“, betont Stief. Dafür nimmt er sich selbst auch mal vier Stunden Zeit, um eine Schulklasse durchs Gebäude zu führen. Die Jugendlichen lernen, wie eine Holografie funktioniert, warum unser Gehirn manche Muster falsch interpretiert, und dass die 3D-Technik schon 150 Jahre alt ist. Stiefs Leidenschaft für optische Phänomene entstand im Zweiten Weltkrieg: 1937 im thüringischen Suhl geboren, begeisterte er sich als kleiner Junge für das 3D-Buch „Der Kampf im Westen“, das deutsche Soldaten an der Westfront zeigte. Beim Einmarsch der Sowjettruppen 1945 versteckte Gerhard Stief sein Lieblingsbuch auf dem Dachboden - „und seitdem zog mich alles 3D-Historische magisch an“. Während er Maschinenbau und später Fotodesign studierte, sammelte er diese räumlichen Bilder, auch Anaglyphen genannt, aber nicht nur das. „In meinem Keller liegt noch das deutsche Holografie-Museum.“
In den achtziger Jahren beschloss der Fotodesigner, ein „weltweit einmaliges Museum“ zu gründen, und eröffnete 1987 zunächst das „Museum 3. Dimension“ im fränkischen Dinkelsbühl. Auch an seinem Wohnort Frankfurt wollte er seine originelle Sammlung zeigen, und da kam ihm der Glauburg-Bunker gerade recht. Das bombensichere Gebäude war ab 1938 für den Zivilschutz erbaut worden. Getarnt mit Balustrade und Schieferdach, diente es gegen Ende des Zweiten Weltkrieges als Hauptquartier zur Verteidigung Frankfurts. Hinter den massiven Stahlbeton-Wänden kamen bis zu 1500 Menschen unter. Nach 1945 bot der Bunker ausgebombten Familien Wohnraum, später wurde er zum städtischen Leihhaus umgebaut. Als das Sowjet-Imperium zusammengebrochen war, wurde das Gebäude aus der Zivilschutz-Bindung entlassen. Gerhard Stief erfuhr im Mai 1995, dass das Bundesvermögensamt den Bunker zum Verkauf anbot. „Da habe ich meine ganze Altersversorgung auf den Kopf gehauen und zugeschlagen.“ Der Museumsgründer beseitigte eine meterhohe Schicht Taubenmist und richtete auf drei Stockwerken die Explora ein.
Zu den Prunkstücken von Stiefs Sammlung gehört die „Shower Lady“, eine nackte Schöne, die sich schnell hinter einem Duschvorhang vor dem Betrachter verbirgt. Die filmähnliche Wirkung garantieren 500 Hologramme, die in dieser Darstellung vereint sind. Auch das älteste Werk in der Explora ist eine Pretiose: Das Lamellenbild vom Anfang des 19. Jahrhunderts zeigt je nach Blickwinkel Luther, Zwingli oder Calvin. Auf Führungen erläutert Stief, wie dieser Effekt erreicht und mit eigenen Fotos kopiert werden kann. Bemerkenswert sind auch die Vexierbilder: Im offensichtlichen Motiv versteckt sich ein zweites Bild, das sich beim näheren Hinsehen offenbart. Neben Sigmund Freuds Profil mit der liegenden Nackten („what’s on a man’s mind“) gibt es viele unbekannte Exemplare zu entdecken - und auch die Kreativität unserer Wahrnehmung.
Stiefs persönliches Lieblingsstück ist „immer das Neueste“, und dazu gehört derzeit sein von ihm selbst erfundener PicturePresenter. Die Maschine funktioniert nach dem Paternoster-Prinzip und zeigt 32 Bilder auf einem Quadratmeter, jedes für 50 Sekunden und bei Bedarf auch länger. Stief möchte sein System optimieren und weltweit an Museen verkaufen: „Dann dürfen sich die Besucher endlich mal hinsetzen.“
Der Museumsgründer dagegen ist immer in Bewegung. In diesem Jahr integriert er einen modernen Kubus in den Bunker, in dem er seit 2001 mit seiner Ehefrau wohnt. Der Anbau bietet eine Galerie, Dachterrasse und weitere 1000 Quadratmeter, was die Ausstellungsfläche bis 2007 verdoppelt. Das wird wohl auch die Nachfrage an der „Event Location“ steigern. Schon jetzt feiern Firmen wie Lufthansa, Microsoft oder Dresdner Bank im Komplex am Glauburgplatz, gut bewacht von der Leninbüste mit 3D-Brille. Nebenher fahndet Stief in Fachgeschäften oder Galerien nach neuen Exponaten, „vor allem grase ich alle Internet-Plattformen ab“. Denn der Leiter des einzigen privaten Museums in Frankfurt, der seine Eintrittspreise selbst happig findet, weiß: „Wir können nur existieren, wenn die Leute wiederkommen.“
Nicole Unruh
Explora, „Museum + Wissenschaft + Technik“, Glauburgplatz 1, 60318 Frankfurt am Main, ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung geöffnet. Weitere Informationen, auch zu Führungen und Veranstaltungen, gibt es unter Telefon 069-788888.
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