Nürnberg
Geschichte



Meistersinger & Pegnitzschläger
"Trotz gewisser humanistischer Anleihen eines Hans Sachs gab es in Nürnberg zwischen Humanismus und Meistersang keine Verbindung. In der Tat war ja auch das rhetorische "Elegantia"- Modell, das Leute wie Willibald Pirckheimer, Eobanus Hessus oder Johannes Regiomontanus (aus Königsberg in Franken) in ihren lateinischen Schriften verwirklichen wollten, grundverschieden vom silbenzählenden Kunstprinzip der Meistersinger. Zwei Welten existierten hier nebeneinander. Umso bemerkenswerter ist, dass sich, als im 17. Jahrhundert auch die Gebildeten in deutscher Sprache zu dichten begannen, eine Literaturgruppe formierte, die auf den ersten Blick überraschende Ähnlichkeit mit den Meistersingern aufweist. Die Unterschiede sollte man trotzdem nicht verkennen.

So wie die Sprache wesentlich geschmeidiger, wortreicher, bildkräftiger und klangvoller geworden war, so hatte sich auch der Kreis derjenigen, die sie pflegten, weiterentwickelt. Patrizier standen jetzt neben Ärzten und Theologen, Erzkonservative neben Schwärmern und Parvenues. Im Herbst 1644 hatten zwei Dichter, Anhänger der Opitz'schen Lehre vom natürlichen Versakzent, auf einer Nürnberger Adelshochzeit um die Wette poesiert: der weltgewandte, vielsprachige und sehr belesene Patrizier Georg Philipp Harsdörffer und ein mittelloser, kriegsflüchtiger, aber genialer Theologiestudent, Johann Klaj aus Meißen. Als die Gesellschaft sich nicht einig werden konnte, wem von ihnen der Preis, ein Blumenkranz, gehören sollte, lösten die beiden den Kranz auf, verteilten die Blumen und proklamierten den Anfang einer Dichtergesellschaft. Das Ganze spielte sich zweifellos im damals modischen Schäferkostüm ab, und auch der neue "Pegnesische Blumenorden", der damit aus der Taufe gehoben war, gab sich künftig schäferlich. Die Sache ließ sich sehr gut an. Der Rat der Stadt hatte gerade in dieser Zeit einem klugen und kunstsinnigen Mann, dem Jenaer Theologieprofessor Johann Michael Dilherr, die Aufsicht über die kulturellen Einrichtungen der Stadt übertragen.

Dilherr, der selbst deutsche Gedichte schrieb, öffnete den Pegnitzschäfern mit ihrer neuen Dichtkunst Tür und Tor. Binnen kurzem beherrschte diese barocke "Gruppe 44" das literarische Leben der Stadt. Johann Klaj rezitierte in der Sebalduskirche seine sogenannten Rede-Oratorien, große sprachliche Klanggemälde von der Auferstehung, der Passion oder dem Kampf der Engel und Drachen; und die Gemeinde im Hauptgottesdienst hörte ihm, wenn man den zeitgenössischen Stimmen glauben darf, hingerissen zu. Klaj war der Überzeugung, durch die Dichtung seinem Gott näher zu sein; er meinte, im Wohlklang einer kunstvoll behandelten Sprache etwas vom Gesang der Engel, von der Beseligung der Sphärenharmonie kosten zu können.

Harsdörffer als gebürtiger Nürnberger war weniger spekulativ veranlagt, dafür aber ein Fanatiker der Bildung und sprachlicher Kultivierung. Genau wie Hans Sachs gehörte er zu den Vielschreibern der deutschen Literaturgeschichte. Er ist einerseits der Verfasser des völlig zu Unrecht berüchtigten "Poetischen Trichters", einem der wichtigsten deutschen Barockpoetiken, in der er Anleitung zu einer höchst modern anmutenden geistreich-kombinatorischen Dichtungstechnik gibt, und andererseits ist er der Herausgeber und Bearbeiter umfangreicher Sammlungen von Erzählungen ("Großer Schauplatz jämmerlicher MordGeschichten") und damit eine Schlüsselfigur der deutschen Prosanovelle. Am erfolgreichsten bei seinen Zeitgenossen war Harsdörffer jedoch mit den "Frauenzimmer-Gesprächsspielen", seinem achtbändigen Hauptwerk. Die Absicht, die sich hinter diesem Konversations-Werk verbirgt, ist leicht zu durchschauen. Harsdörffer wollte mit seinen Gesprächen, in denen - eine soziale Tat! - Frauen eine gleichberechtigte Rolle spielen, die Bildung und zugleich das sprachliche Niveau des Bürgertums heben. Heute wirkt allerdings das Ganze ein bisschen parodistisch: Angelica von Keuschwitz, eine adlige Jungfrau, befragt Degenwert von Ruhmeck, einen gelehrten Soldaten; Cassandra Schönliebin argumentiert gegen Raymund Discretin, einen gereisten und belesenen Studenten; und Vespasian von Lustgau, ein alter Hofmann, sagt seine Komplimente einer klugen Matrone, Julia von Freudenstein. Sie bereden jeglichen Stoff, möglichst fünfzig Themen pro Band - und alles ohne Flunkern! Doch am Ende legimitiert sich alles als lehrsames Gesellschaftsspiel.

Das Ordenszeremoniell der "Pegnesen" vollzog sich, solange es die Witterung zuließ, in schäferlicher Umgebung: in einem Garten vor der Stadt, den ein wohl- habendes Mitglied später in einen "Irrhain" verwandelte. Dort saß man sittsam in der Runde, las sich seine zierlich gefeilten Poesien vor und stellte sie zu einer der beliebten "Schäfereien" zusammen. Besonders Siegmund von Birken, der zweite Ordensvorstand und nach Harsdörffer und Klaj die dritte große Persönlichkeit des Kreises, hatte viel Geschick in der Organisation solcher literarischen Kolloquien. Er unterhielt Beziehungen in alle Teile Deutschlands, erdichtete sich Adelsprädikat und Wohlstand und zog Leute von Rang und Namen in seine Nähe, darunter die große deutsche Dichterin Catharina von Greiffenberg.

In fast zweihundert Jahren, seitdem Hans Folz aus Worms zugewandert war, hatte so der Nürnberger Rat seine Haltung zur Kunst nicht geändert: Er lud die Dichter ein und bot ihnen einen noblen, aber dezenten Schutz. Dafür wurde die Kunst in dieser Stadt ein Bestandteil der Gesellschaft.

(Reinhold Grimm u. Conrad Wiedemann)

| zurück |




          
Werbung:
Schnell gefunden:
Veranstaltungen Nürnberg:
 
Werbung:
Ihr Reisewetter in Nürnberg:

Nürnberg kompakt:
RESTAURANT TIPPS

Gastronomie Tipps Nürnberg Restaurant-Übersicht für Nürnberg mit Restaurant-Tipps und Kritiken von Gästen ...


NIGHT GUIDE NÜRNBERG

 © Tim Porter - Fotolia.com Nightguide Nürnberg - alle Adressen und Ausgehtipps für die gelungene Nacht ...


EVENTS NÜRNBERG

Events in Nürnberg © Congress & Tourismuszentrale Nürnberg Der Kalender ist prall gefüllt: Nürnberg bietet Events und Veranstaltungen für jeden ...


TERMINE IN NÜRNBERG

Aktuelle Termine, für Fachmessen & Kongresse in Nürnberg in der Übersicht ...


Weitere Reiseziele:
  Berlin     Dresden     Bremen     Frankfurt     Hamburg     Hannover     Düsseldorf     Leipzig     München     Köln     Potsdam     Stuttgart    



city-tourist.de ist das Portal mit Servicebeiträgen und Informationen rund um das Thema Städteurlaub und Städtereisen wie z.B. nach Nürnberg mit der Möglichkeit zur Online und Internet Buchung von Low-Cost Flügen nach Nürnberg, Flugtickets nach Nürnberg, Hotels in Nürnberg, Sightseeing Touren in Nürnberg, Stadtrundfahrten in Nürnberg sowie von Lastminute, Pauschal- und Individualreisen nach Nürnberg. Die Touristen Information wird durch Online Reiseführer ergänzt.