Das "Ehekarussell" am Weißen Turm - Nürnberg
Besichtigung und Tipps für Touristen

Der vieldiskutierte Hans-Sachs-Brunnen am Weißen Turm, besser bekannt unter dem Namen "Ehekarussell", wurde nach einer Bauzeit von sieben Jahren am 30. Juni 1984 eingeweiht. Der Braunschweiger Künstler Professor Jürgen Weber hat zum besseren Verständnis seiner Arbeit einen kurzen Text verfasst, in dem er seine gestalterischen Absichten erläutert ...

"Das Gedicht von Hans Sachs über seine Ehe besteht aus Doppelversen, die die Ehe ebenso preisen wie anklagen. Das Gedicht ist so total ausgewogen, so ohne Anfang und Ende, dass ich ein Karussell aus sechs Wagen konzipiert habe, die abwechselnd negative wie positive Szenen der Ehe darstellen. Drei Wagen stellen Liebe und Eheglück dar und drei das Gegenteil.






Die Karussellwagen und die Szenen, welche sich in ihnen abspielen, bedeuten immer das Gleiche. So ist der Wagen links von Hans Sachs eine Muschel, aus der seine Frau als Geliebte und Aphrodite tritt. In der Muschel kniet aber außerdem ihr Ehemann, ein Musiker und Trompeter, der die Schönheit seiner Frau dem Publikum anpreist. Die Venusmuschel wird so zur Schaubude und somit wiederum dem Milieu der Kirmes angeglichen. Im Gedicht sagt Hans Sachs: "Mein Frau ist meine Zier und Lust". Die schöne Frau ist also die Zierde des Mannes, mit der er sich brüstet. Rechts von Hans Sachs befindet sich das Paar in einem Flammenwagen. Mann und Frau haben sich gegenseitig an der Kette und stehen in Flammen. Das Bild weist also auf die "Jüngstes-Gericht- Darstellungen" der Gotik hin, in denen immer in einer Ecke der Teufel die Verdammten mit einer langen Kette gefangen hält; das Ganze natürlich in Flammen.

Der Wagen sagt also: "Jeder des andern Teufel, jeder des andern Verdammter". Die Verse bei Hans Sachs, welche das Gleiche meinen, heißen: "Sie ist auch oft mein Pein und Hell"..."Ist oft mein Fegeteufel woren"... Neben dem Höllenfeuer finden wir den Schwanenwagen mit einem liegenden nackten Liebespaar, das sich küsst. Der Schwan - seit alters her ein Liebesvogel - hat zwei Hälse und Köpfe, welche ebenfalls miteinander schnäbeln. Außerdem haben alle Karussells Schwanenwagen. Bei Hans Sachs heißen die dazugehörigen Verse: "Sie ist mein Engel auserkoren"..."Sie ist mein Mai und Rosenhag".

Nach dem Schwanenwagen, neben dem Rosenständer, schließt sich ein Höllendrachen als Wagen an, auf dem zwei halbverweste Leichen miteinander kämpfen. Auf dem Bein des Höllendrachen stehen die Worte: "Ehestreit in Ewigkeit". Die dazugehörigen Verse bei Sachs sind: "Ist oft mein Schauer und Platzregen"..."Ist oft mein Blitz und Donnerschlag"..."Ist oft Gefengnis und Notstall"..."Ist oft mein Ankläger und Prediger"..."Ist oft mein Jammer, Angst und Schmerz"..."Ist oft mein Graun und Suppenwust". Der Höllendrachen und die Leichen spielen wieder auf die Kirmes, also Geisterbahn, an.



Hans Sachs gebrauchte viele Vergleiche dieser Art: Daher stellen im Karussell zwei Wagen Höllenbilder dar. Auf der anderen Seite des Rosenhages - in rosa und grünem Marmor - steht der Pelikanwagen, in dem die Mutter die Kinder füttert, während der Vater weise Reden hält. Die frühen Christen hielten den Pelikan für das Ursymbol der Mutterschaft, weil er angeblich sein eigenes Herz an die Jungen verfütterte, wenn er für sie kein Futter fand. Dies ist hier dargestellt. Im Gedicht von Hans Sachs heißt der dazugehörige Vers: "Mein Frau, die hilft mir treulich nähren"...Der Gegenvers dazu lautet: "Thut mir auch oft das Mein verzehren". Jenseits des marmornen Früchtekranzes besteht der entsprechende Wagen aus einem Vielfraß, welcher sich einen in Marmor ausgeführten Hecht fängt.

Drinnen sitzt eine dicke Frau, die ihren und den Kuchen ihres Mannes aufisst. Der Streit um das Geld ist gemeint. Am Kopf des Brunnens tanzt und singt Hans Sachs über dem Chaos seiner Ehe auf einer maiskolbenartigen Säule. Hinter dieser Säule befindet sich der Ehefelsen, auf dem ein verendeter Bock, als Symbol für den Mann, und ein Menschenschädel, als Überrest der Frau, liegen. In den Felsen sind die Worte eingemeißelt: "Bis der Tod euch scheidet". Das Gedicht von Hans Sachs endet ähnlich: "Sie ist meines Herzens Aufenthalt, und machet mich doch grau und alt".

Von dem Felsen springt links von Hans Sachs ein Bock in das vorderste Brunnenbecken, in das von rechts eine Brunnennymphe steigt. Bock und Nymphe stellen den eigentlichen Eros dar, der zu Liebe und Ehe führt. Während bei Hans Sachs die positiven und negativen Sätze sich gegenseitig aufheben, kommt beim Ehekarussell durch Blüten und Früchte zusätzlich Positives hinzu: Wie die Ehe auch war, sie hat Früchte getragen. Die Auffassung als Karussell und die darauf bezogene farbige Fassung sind volkstümlich und trotz Liebe und Schrecken nicht ganz so ernst gemeint, wie sie in Nürnberg anscheinend verstanden werden. Das wichtige menschliche Problem von Liebe und Ehe - keineswegs eine banale Frage - wird hier dadurch vergegenwärtigt, dass volksfestartige Formen verwendet werden, so wie früher religiöse Muster benutzt wurden. Es handelt sich um eine ähnliche Verwandlung von Kirmes zu Kunst wie in der Drei-Groschen-Oper von Bert Brecht. Ein kleines bisschen Humor sollte man bei sich schon entdecken, wenn man den Brunnen anschaut...".

Informationen zur "Ehekarussell"-Entstehung:
Da Gestaltungsvorschläge und Wettbewerbe in den Jahren 1975/76 ohne Ergebnis blieben, wurde 1977 der Braunschweiger Professor Weber um einen Entwurf zur künstlerischen Gestaltung des Brunnens gebeten.

Juni 1978:
Auftrag an Prof. Jürgen Weber (Dozent für elementares Gestalten an der Universität Braunschweig) für die Gestaltung und Herstellung des Brunnens. Sechs Jahre Tätigkeit für die Herstellung der Ton- und Gipsmodelle für den Bronzeguss sowie für
die Marmorskulpturen (Verarbeitung von 50 Tonnen Gips und Ton für die Modelle
und Gussformen).

Juni 1984:
Inbetriebnahme des Brunnens. Thema des Brunnens ist ein Gedicht von Hans Sachs: "Das bittersüße eh'lich Leben" von 1541, in dem die Freuden und Leiden des Ehelebens geschildert werden. Dieses Thema hat Prof. Weber komprimiert in sechs Karussellwagen dargestellt.

Der Brunnen ist jeweils von Mitte April bis Ende Oktober in Betrieb.
In dieser Zeit ist er von abends 22 Uhr bis morgens 9 Uhr ausgeschaltet. 

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